Geld ist eine Glaubenssache.
Eine Parabel von Carl Spitzweg

Als Gott den Menschen geschaffen hatte, stand nun Adam splitterfasernackt mitten im Paradies, denn er hatte überhaupt kein Geld, um sich etwas zu kaufen, oder mal in Urlaub zu fahren.
Aber, das brauchte er ja nicht, denn er war ja in seiner Blöße allein und hatte sowieso Urlaub, bis Gott ihm eine Gehilfin machte.
Die sah zwar etwas anders aus, aber ihn störte das weiter nicht, wenn auch sie nichts zum Anziehen hatte. Sie hatten ein sorgloses und fröhliches Dasein.
Allerdings wollte Eva öfter etwas Neues mit Adam unternehmen, denn Abwechslung tut gut und er allein war ihr wohl auf Dauer etwas langweilig geworden.
Nun gab es mitten im Paradies am "Baum der Erkenntnis", eine von Gott eingerichtete Mieterberatungsstelle, die von einem Engel, dem strafversetzten "Luzifer", dem Lichtbringer, geführt wurde.
Eva beschloss also eines Tages, sich beraten zu lassen.
Dass Luzifer eine falsche Schlange war, die deswegen auf der Erde arbeiten musste, wusste Eva aber nicht. Luzifer freute sich, dass die erste Klientin unterwegs zu ihm war, denn ohne Kunden ist jede Zweigstelle eines Unternehmens zum Konkurs verurteilt.
So ließ Eva sich von der Schlange beraten und erfuhr unglaubliche Dinge.
Das Paradies sein nicht alles, was es gäbe.
Außerhalb gäbe es noch eine Menge anderer Männer und Frauen zum kennen lernen.
Und ihre Kinder würden später mit diesen anderen Menschen Party machen, mit ihnen gemeinsam leben und einander lieben, - sagte ihr die Schlange voraus.
Die Schlange sagte ihr auch, dass sie wahrhaftig wie Gott sei, sein Ebenbild eben!
Dass auch sie sogar in der Lage sei, Menschen zu erschaffen.
Allerdings könne sie das nicht allein. Adam müsse da schon mitmachen, weil so ein Mensch aus männlichen und weiblichen Bestandteilen zusammengesetzt werden müsse.
Und die Schlange gab ihr einen Apfel als Geschenk für Adam mit. Das sei ein Werbegeschenk, über das er sich sehr freuen würde und er würde sich sicher erkenntlich zeigen.
Als Dank für die Beratung forderte Luzifer Eva auf, ihm Kunden zu schicken, denn seine Zweigstelle hätte sonst keine Klienten mehr und das sei so furchtbar langweilig hier im Paradies.

Dann machte sich Eva wieder auf den Heimweg. Unterwegs pflückte sie ein großes Blatt und machte sich daraus einen schicken Minirock unter dem sie den Apfel verbarg. Das hatte ihr die Schlange geraten. "Man muß nicht immer alles zeigen, was man hat und kann. Das lieben Männer", war ein weiterer Tipp der Schlange.
Adam, der Eva vermisst hatte, traute seinen Augen kaum, als er eine fremde weibliche Gestalt auf sich zukommen sah. So etwas hatte er noch nicht gesehen.
Nachdem er sie entblättert hatte, "erkannte" er Eva und erhielt das Werbegeschenk, den Apfel.
Dann erzählte Eva ihm die Neuigkeiten, die sie von der Schlange erfahren hatte, bis auf einige Geheimnisse, die nur Frauen wissen dürften.
Weil Adam das Entblättern so gut gefallen hatte, besorgte sich Eva bald wieder ein neues, noch schöneres Blatt und auch Adam sollte sich etwas anziehen.
So wurde die Mode erfunden.
Eva besuchte immer wieder die Schlange, ließ sich Tipps für das Leben zu zweit geben und Äpfel, die sie dann an ihrem Körper unter den Blättern verbarg.
Adam wurde mehr und mehr versessen darauf, Eva zu entblättern, um an ihre Äpfel zu gelangen.
Und weil das Auspacken ein schönes Vorspiel war, bevor man sehen konnte, was in der Verpackung steckt erfanden sie Weihnachten.
Seitdem werden zumindest einmal im Jahr Geschenke ausgepackt und die Menschen singen dann das schöne Lied: "Ihr Kinderlein kommet".
Und dieses zauberhafte Lied, das Eva von der Schlange gelernt hatte, zeigte tatsächlich Wirkung.
Adam und Eva wurden Eltern von zwei Söhnen, Kain und Abel.
Die Schlange verteilte angeblich gern ihre Werbegeschenke, aber allmählich wurden die Äpfel, die "Früchte der Erkenntnis" am Baume knapp und Eva hatte noch keinen einzigen Kunden zu der Schlange geschickt. Sie erkannte nicht, dass sie sich bei der Schlange inzwischen hoch verschuldet hatte und ignorierte Luzifers Mahnungen.
Da wurde die Schlange sehr, sehr böse und verlangte ihren Lohn, - eben, neue Klienten, ansonsten bekämen sie die Kündigung und müssten das Paradies verlassen und als Drückerkolonne Kundschaft für Luzifer werben. Es sei eine große Sünde seine Schulden nicht zu bezahlen. Darunter müssten möglicherweise noch die Erben leiden. Das sei Karma!
Aber wie sollte eine Familie mit Kindern, deren Vater arbeitslos ist, Schulden bezahlen.
So kam eines Tages die Kündigung und die Familie musste den Garten Eden verlassen.
Das paradiesische Leben hatte ein Ende.
Durch eigener Hände Arbeit musste jetzt Nahrung angebaut werden und wilde Tiere mussten gezähmt und gezüchtet werden um in der Wildnis zu überleben.
Einmal im Jahr zum Erntedankfest ging nun Adam mit Früchten und gezüchteten Tieren zu der Schlange, wollte sie besänftigen und die Schulden bezahlen, die Eva gemacht hatte.
Zunächst widerwillig,- aber dann doch einverstanden mit den Naturalienlieferungen gab Luzifer Quittungen aus, für die Lieferungen und die inzwischen gestiegenen Zinsen.
Diese Quittungen waren aus Papyrus auf dem Zahlen standen.
Eine Zehn für zehn Ziegen, eine Hundert für hundert Hände voll Korn, eine Zwanzig für zwanzig Hühner u.s.w.
Und Adam war zufrieden, denn er hatte jetzt Belege für das, was er schon bezahlt hatte.
War die Ernte einmal schlecht, konnte Adam der Schlange aber nichts oder nur weniger liefern.
Die falsche Schlange erhöhte daraufhin wiedereinmal die Zinsen und klagte, dass sie nichts zu fressen habe. Die Äpfel seien ausgegangen, weil sie Eva doch so viele gegeben hätte und die gelieferten Waren seien einfach zu wenig für sie, um zu überleben.
Adam`s Family solle doch auch die Opferungen für Gott sein lassen und mehr der Schlange bringen.
Deswegen gab es den ersten Streit in der Familie und Kain erschlug Abel sogar.
Außerdem sollten die Töchter und Söhne, von denen es inzwischen mehrere gab, in andere Länder ziehen, dort heiraten und dann gemeinsam fleißig arbeiten und der Schlange den fälligen Lohn bringen.
Sie, die Schlange würde dann auch ihnen vieles offenbaren und auch verraten, wie man Menschen macht und was das für einen Spaß macht. Da könne man gar nicht genug von kriegen.

Aber die Menschen kamen bald nicht mehr zu der Schlange um sich beraten zu lassen sondern gaben die Ratschläge der Schlange untereinander weiter. Modetipps, Gesundheitstipps, Arbeitsverbesserungsvorschläge und andere esoterische Wissenschaften.
Und jeder, der einem anderen was verraten hatte, verlangte jetzt Quittungen dafür, wie die Schlange es früher getan hatte.
Adam und Eva waren längst gestorben und keiner brachte mehr Lebensmittel zum "Baum der Erkenntnis", aber jeder freute sich, wenn er viele solcher merkwürdigen Quittungen vorweisen konnte.
Alle anderen, die weniger Quittungen hatten, glaubten nun, dass der Mensch, der viele Quittungsscheine hat, ein besonders weiser Mensch sei, der viele Geheimnisse kenne.
Und weil jeder als weise gelten wollte, wollte er möglichst viele solcher Quittungsscheine besitzen, denn dadurch würde sein Ansehen erheblich steigen, was wiederum das Selbstbewusstsein steigerte.
Schließlich arbeitete bald eine Menge der Menschen auf der Welt für andere, die sich Papier besorgt hatten und selbst bunte Scheine mit bunten Bildern malten und anderer Menschen Arbeiten damit belohnten.
Das Tauschen von Waren war aber immer noch üblich und so kam man auf die Idee, dass man auch viele kleine Scheine gegen einen großen Schein eintauschen konnte.
Eines Tages war ein junger, einfältiger Bauer des Arbeitens leid und wollte sich zur Ruhe setzen. Er hatte den Hof von seinen Eltern geerbt, hatte viele Scheine für das Getreide und die Früchte, die er dem Volk dafür gegeben hatte, erhalten und die Menschen hielten ihn für sehr klug.
Die Scheine mussten aber immer gut versteckt werden, denn "man muss nicht immer alles zeigen, was man hat und kann" hatte er von Kindesbeinen an gelernt.
Und viele Scheine lassen sich nur schlecht zählen.
Er ging also zu einem Mann, den alle für noch weiser hielten und der noch mehr Scheine hatte und auch noch größere, - das sagten die Leute. Er sei früher ein einfacher Maler gewesen, jetzt sei er ein großer Künstler, ein Lebenskünstler - sagten die Leute.
Von diesem Manne wurde er aufs herzlichste begrüßt und toll bewirtet. Dieser zeigte ihm sein großes Haus, vor dem eine Bank stand. Auf der Bank führten sie ein langes Gespräch, denn von solch einem herrschaftlichen Haus träumte auch der Bauer.
Schließlich einigte man sich.
Der Bauer gab dem Mann auf der Bank seine vielen kleinen Scheine und erhielt einen großen Schein mit dem Bild des Künstlers.
Dann ging er heim, verkaufte für viele kleine Scheine das Bauernhaus, das ihm die Eltern vererbt hatten und ging wieder zu dem Mann mit der Bank.
"Hier hast Du den großen Schein, den Du mir zuletzt gegeben hast und hier sind noch die kleinen Scheine, die ich für mein Bauernhaus bekommen habe. Gib mir für alles den größten Schein, den du hast!"
Und sie besiegelten das Geschäft.
Der Bauer war überglücklich, das er es geschafft hatte, den größten Schein zu erwerben.
Jetzt würden ihn alle für den weisesten Menschen im Dorfe halten.
Er zeigte allen den großen Schein und forderte sie auf ihm ein großes Haus zu bauen. Er werde sie fürstlich belohnen dafür.
Alle Bewohner des Dorfes machten sich sofort an die Arbeit, denn sie glaubten, es sei eine Ehre für solch einen großen und weisen Mann zu arbeiten. Jeder versuchte zum Gelingen des Hauses beizutragen.
Der Bäcker versorgte die Bauarbeiter mit all seinem Brot, der Metzger brachte seine ganzen Wurstvorräte, der Brauer all sein Bier, denn Bauarbeit macht hungrig und durstig.
Als das Haus fast fertig war, wollten sie aber ihren Lohn für die Arbeit.
"Ich habe aber nur den Schein und den möchte ich behalten, weil er so selten ist," sagte der Bauherr.
"Wir haben unsere ganze Arbeitskraft in Dein Haus gesteckt und unsere Familien vernachlässigt während wir für Dich bauten. Gib uns unseren Lohn, denn wir und unsere Familien haben nichts mehr zu essen", riefen die Männer des Dorfes und bedrohten ihn. "Gib uns den Schein für unsere Arbeit!"
Dem Bauern blieb schließlich nichts anderes übrig, als zu dem Mann mit der Bank zu reisen und den großen Schein in viele kleinere umzutauschen, um die Meute zu bezahlen, bevor sie ihn womöglich vor Wut töten könnte.
Jeder der Helfer versuchte möglichst viel von den Scheinen zu bekommen, bis der Bauer schließlich nichts mehr in Händen hielt.
"Und wovon soll ich jetzt leben?", fragte der Bauherr. Das Haus ist noch nicht ganz fertig um darin zu wohnen, meine Arbeit auf dem Acker habe ich nicht gemacht, weil ich euch beaufsichtigen musste, dass ihr fleißig arbeitet und mein Weib und meine Kinder, um die ich mich schon lange nicht gekümmert habe, haben Hunger und nichts mehr zu trinken."
"Du hast uns um unseren verdienten Lohn betrogen. Wir glaubten, dass du weise bist, weil du reich bist. Und weil wir glaubten du bist ein großer Mann, darum haben wir für dich gearbeitet. Wir glaubten, du wärest fleißig und gerecht, aber es war nur der Schein, mit dem du uns geblendet hast. Wir waren dumm, all das zu glauben. Sieh zu, wie du nun klarkommst - Betrüger!"
Dann standen alle stumm vor dem fast fertigen Haus, hielten die Scheine in ihren Fingern und erkannten, dass sie nur bedrucktes Papier in Händen hielten, - doch was sollten sie jetzt damit anfangen?
Der Bäcker hatte während der Bauzeit kein Brot gebacken, weil er beim Bauen mitgeholfen hatte. Von dem Lohn glaubte er sich zur Ruhe setzen und ein großes Haus bauen zu können.
Der Metzger hatte keine Zeit zum Schlachten gehabt, denn er half beim Bau, hoffte auf gute Belohnung und wollte das Töten von Tieren ohnehin aufgeben und der Brauer hatte nichts mehr gebraut, weil er glaubte, nachdem der Bau fertig sei, wäre er ein reicher Mann und wollte nur noch andere für sich arbeiten lassen. Die anderen dachten so ähnlich.
Plötzlich kam ein großer Sturm auf und begrub das ganze Dorf mit rotem Wüstensand.
Erschöpft, hungrig, durstig und kraftlos vom Bauen konnte keiner weglaufen und alle wurde mit den Scheinen in den Händen verschüttet.
Bis heute ragt noch immer der unfertige Giebel des großen Hauses aus dem Sand und in den Schlupflöchern des fast fertigen Hauses lebt eine alte große Schlange und hat es sich in einer Mauernische, die sie mit Scheinen aus den Händen der Skelette gepolstert hat, gemütlich gemacht.

Nachdenkliches

Zurück